Diese Transferperiode war lang wie kaum ein andere und doch zu kurz für die Leverkusener Verantwortlichen, es wurde eine Rekordsumme eingenommen und doch nicht ausgegeben, ja schlussendlich scheiterte offiziell sogar eine Verpflichtung an einer zu teuren Kaufoption. Nicht nur wegen Corona waren es ungewöhnliche Wochen, die einen dann doch enttäuscht zurücklassen.
Jeder, der Bayer Leverkusen auch nur peripher beobachtete, wird die Notwendigkeit gesehen haben, dass ein rechter Flügelspieler fehlt. Bellarabi hat offenkundige Schwächen im Abschluss, der Entscheidungsfindung und im Flankenspiel, Bailey fällt mehr neben dem Platz als auch dem Platz auf – dabei spielt er gar nicht mal so oft – und Havertz und Volland sind weg, die auch mal auf den Flügel ausweichen konnten. Obendrein ist die Belastung in dieser zusammengestauchten Saison nicht nur durch den Wegfall der Winterpause derart hoch, dass eine gewisse Breite im Kader einfach unabdingbar ist.
Auch Peter Bosz forderte deswegen unablässig einen neuen Offensivspieler und trotz regelmäßigem Austausch mit der Vereinsführung schien das dort nicht angekommen zu sein. Es ist immer äußerst schwierig und daher oftmals unfair, interne Prozesse von Außen zu bewerten, aber die Informationen, die man hat, sprechen nicht für Rolfes und Völler. Offenkundig wurde kein Offensivspieler verpflichtet, offenkundig wurde Rashica erst heute Mittag kontaktiert und offiziell scheiterte ein Leihgeschäft daran, dass Werder Bremen auf einer zu hohen Kaufoption beharrte. Zur Einordnung: Frank Baumann, Geschäftsführer Sport bei Werder Bremen, erklärte, dass die Hanseaten keinen Spieler mehr verpflichten werden, weil deren finanzielle Situation so schlecht sei.
Aber selbst wenn diese Kaufoption derart hoch war, es handelt sich immer noch um eine Option. Man muss sie nicht ziehen und man kann den Spieler immer noch für eine Summe unterhalb dieser Kaufoption verpflichten. Dabei hätte man mindestens für die Dauer der Leihe einen guten Flügelspieler, den man nun jetzt halt nicht hat. Es leuchtet mir partout nicht ein, warum der Kosovare nun nicht bei Bayer Leverkusen spielt. Zumal Rashica nicht irgendein Schnellschuss aus Panik gewesen wäre, ohne Weiteres hätte er Bellarabi verdrängt und wäre Stammspieler geworden. Er ist jung und talentiert und dennoch erfahren. Er kennt die Bundesliga und Trainer Peter Bosz von Vitesse Arnheim. Nun wünsche ich mir, dass wenigstens ausgelotet wird, den Spieler zum Winter hin zu verpflichten.
Aber auch wenn der Transfer zustande gekommen wäre, stellen sich grundsätzliche Fragen: Denn offenkundig wird es wohl nicht Leverkusens Hauptstrategie gewesen sein, eine Lücke im Kader erst mit einer Anfrage wenige Stunden kurz vor dem Ende des Transferfensters zu schließen. Entweder sah man gar nicht die Notwendigkeit auf dieser Position, was fatal wäre, oder man fand wochenlang niemand, was auch fatal wäre.
Aber auch wenn der Frust über diesen letzten Tag der Transferperiode überwiegt, so bleiben doch akzeptable restliche Transfers. Trotz des veränderten Marktumfeldes wurde ein akzeptabler Preis für Havertz erzielt und mit Arias verfügt man nun endlich nach Jahren der Schwäche auf der Position des Rechtsverteidigers über eine starke Alternative, so fand ich sein erstes Spiel gegen Stuttgart schon vielversprechend. Mit Patrick Schick verfügt Bosz nun über einen Stürmer, der in meinen Augen im Vergleich zu Kevin Volland eine klare Verbesserung darstellt. Für die restliche Abwehr wurde viel gemunkelt, geschehen ist aber wenig. Nur Παναγιώτης Ρέτσος [Panagiotis Retsos] wurde verliehen. In dieser Saison hätte er wahrscheinlich keine Perspektive in Leverkusen gehabt, deshalb macht ein Abgang Sinn, insbesondere in Form einer Leihe, da aufgrund Corona und seiner letzten Saison bei Bayer 04 und Sheffield United wohl kaum eine akzeptable Ablösesumme zusammengekommen wäre. Trotz der hohen Belastung sehe ich auch für Tin Jedvaj und Mitchell Weiser kaum eine Perspektive. Dass die nun weiterhin auf dem Gehaltszettel stehen, ist wohl nicht unbedingt optimal, aber auch keine Katastrophe. Selbiges gilt für den gescheiterten Transfer von Sead Kolašinac, weil Wendell den Verein nicht verließ. Die Defensive war sowieso nicht die größte Baustelle im Kader, in der vergangenen Saison war Leverkusen defensiv erstaunlich stabil und offensiv dafür enttäuschend. Wahrscheinlich wird das auch erstmal so bleiben. Einziger Hoffnungsschimmer: Am 01. Januar gibt’s schon die nächste Transferperiode.