Dreizehn Thesen zur Saison 2019/2020 – Abrechnung

Zu Beginn dieser Saison habe ich erneut versucht, die anstehende Spielzeit mit dreizehn Thesen vorherzusagen. Nun folgt die Abrechnung, die ihren Namen diesmal wirklich verdient hat. Denn ich lag wirklich oft daneben und kann es nicht einmal auf Corona schieben.

1. Paulinho wird mindestens zwölfmal in der Startelf stehen

Die These entstand im letzten Sommer, wo der junge Brasilianer auch mehr mediale Beachtung fand. Das lag nicht nur an der vorherrschenden Sehnsucht, nach Ausschöpfung seines Potenzials, es wurde auch unterfüttert von soliden Leistungen in den Testspielen, wo er erstmalig im Zentrum eingesetzt wurde. Durch die höhere taktische Flexibilität versprach ich mir mehr Einsätze. Nun muss man konstatieren, dass er zwar auf mehr Positionen eingesetzt wurde, zwischendurch selbst in der Sturmspitze, mehr Einsätze in der Startelf gab es allerdings nicht. Trotz schwächelnder interner Konkurrenz (Bailey, Bellarabi) und trotz hoher Belastung. [0/1]

2. Sinkgraven setzt sich gegen Wendell durch

Sinkgraven verletzte sich zwar in dieser Saison, aber das wäre nur ein vorgeschobenes Argument. Ich finde nach wie vor, dass Sinkgravens Topniveau über dem von Wendell liegt. Beobachten ließ sich dieses aber viel zu selten, zudem waren die Ausschläge nach unten zu groß. Im Mittel war Wendell konstanter, der sich aber leider durch den neuen Konkurrenzkampf auch nicht merklich steigern konnte. [0/2]

3. Letzte Saison stand Weiser in über 90% der Spiele auf dem Feld, in dieser werden es keine 70 Prozent

Weiser kam auf 28 Einsätze (54,9%) und insgesamt 1.895 Minuten Spielzeit (41,1%). Viele Entwicklungen liefen in dieser Saison gegen den Rechtsverteidiger. In der Viererkette bekam Kapitän Lars Bender den Vorzug, die auch nicht mehr so interpretiert werden sollte wie in der vergangenen Saison. Profitierte Weiser zuvor noch vom asymmetrischen Ansatz, wo er bei eigenem Ballbesitz aus der Kette herausrückte, wodurch seine offensiven Qualitäten mehr zur Geltung kamen, so wurde die Viererkette in dieser Saison meist symmetrisch gespielt. Aber auch von der Verletzung von Lars Bender konnte er nicht profitieren, immer öfter griff Bosz währenddessen auf ein 3-4-3 oder 5-4-1 zurück, wodurch seine Position obsolet wurde. Die größte Entwicklung, die gegen Weiser lief, war aber seine eigene Leistung. Keine Weiterentwicklung, nur sehr wenig überzeugende Auftritte, stattdessen regelmäßig technische, taktische und defensive Defizite. [1/3]

4. Pohjanpalo wird kein Faktor in dieser Saison, nichtmal ein kleiner

Kein Tor, keine Vorlage, stattdessen erneut wieder Verletzungsprobleme, dann folgte der Wechsel nach Hamburg, sodass sich diese These früh bewahrheitete. [2/4]

5. Diaby wird mehr Tore schießen als vorlegen

Gleichstand. Acht Tore, acht Vorlagen. Hintergrund meiner These war, dass ich ihn nicht für einen Spieler hielt, der von Außen vielversprechende Bälle ins Zentrum bringen kann. Weder über eine hohe Flanke, noch über einen scharfen langen Flachpass. Gleichzeitig sah ich ihn aufgrund seines Tempos in einigen 1vs.1-Situationen vor dem gegnerischen Tor, was Treffer garantiert. Beides hat sich im Wesentlichen bewahrheitet, die These ging dennoch daneben. [2/5]

6. Zählen nur die Gegentore, landet Leverkusen nicht in der Europa League

44 Gegentore kassierte Leverkusen in der abgelaufenen Bundesliga-Saison, schlussendlich waren nur die Champions-League-Teilnehmer defensiv stabiler. Für die Europa League hätte es folglich gereicht. 

Diese Zahl ist eine positive Entwicklung. Leverkusen kassierte acht Tore weniger als in der Vorsaison (dort lag man noch hinter Werder Bremen), schoss aber auch acht Tore weniger. Das wirft ein sehr zweifelhaftes Bild auf das ewige Bosz-Klischee, dass die von ihm trainierten Teams so unausgeglichen seien, dass regelmäßig der Ball auf beiden Seiten des Feldes einschlägt.

Schlussendlich muss man resümieren, dass Leverkusen in den vergangenen Monaten ein Offensivproblem hatte. Trotz grundsätzlich guter Voraussetzungen. Im Kader waren mit Havertz der beste deutsche Offensivspieler, mit Volland und Alario erfahrene Stürmer und mit Diaby ein neuer Flügelspieler, der nach einigen Wochen sehr gut einschlug. 

Die Gründe sind vielfältig. Volland war zwischenzeitlich verletzt und nebenbei konnten sich weder er noch Alario in der Spitze vollends durchsetzen, Havertz hatte in der Hinrunde eine langanhaltende Durststrecke, exemplarisch an Bellarabi ließ sich beobachten, dass die Entscheidungsfindung ein großes Problem ist, aber es fehlte auch einfach ein systematischer Plan, weswegen es im letzten Drittel ausgesprochen viel fruchtlosen Ballbesitz gab. Julian Brandt fehlte einfach, aber auch wenn dieses Argument stimmt, so darf es nicht gelten. Auch ohne ihn oder einem adäquaten Ersatz, Amiri ist davon noch weit entfernt, muss das einfach besser funktionieren. [2/6]

7. Volland wird erneut Leverkusens Topscorer in der Bundesliga und erneut nicht für die Nationalmannschaft nominiert

Der letzte Teil war kaum gewagt, er hätte schon wahnsinnig gut scoren müssen, um ins Blickfeld von Joachim Löw zu geraten. Davon war er in dieser Saison weit entfernt. Vielleicht wäre er ohne Verletzung wieder Bayers Topscorer in der Bundesliga geworden, sodass meine These gepasst hätte, aber unabhängig davon war es – wie bereits angerissen – keine gänzlich überzeugende Saison von ihm. [2/7]

8. Aránguiz verlängert nicht

Die Causa zog sich sehr lange, der Ausgang war ebenso lang völlig ungewiss. Mittlerweile bin ich wirklich sehr froh, hier auf die falsche Münzseite getippt zu haben. [2/8]

9. Julian Brandt trifft gegen Leverkusen

So etwas passiert eigentlich immer, dachte ich mir, also wird es wieder geschehen. Es kam anders, aber Brandt war dennoch an einem ähnlichen Momentum beteiligt. Beim Spiel gegen den BVB in der Rückrunde wurde er an einem Eckball gehindert, weil er von aufgebrachten Zuschauern mit Resten der Choreografie beworfen wurde. Sancho trat stattdessen an, der den Ball umgehend scharf in den Strafraum brachte, sodass Hummels zum zwischenzeitlichen Ausgleich einköpfen konnte. Nichtsdestotrotz: Falsch ist falsch. [2/9]

10. Jonathan Tah gelingt eine Weiterentwicklung erneut nicht

So weit so erwartbar und zugleich auch schade, aber dass er kurzfristig sogar hinter Dragović in Bosz’ Hierarchie fiel, übertraf dann dennoch meine Vorstellungskraft. Ihm ging es genauso. [3/10]

11. Keine Karte für Bosz und sein Trainerteam

Diese Saison hat gezeigt, dass die Aufregung, die im letzten Sommer um diese Thematik gemacht wurde, ein wenig übertrieben war. Übertrieben reagierte die Leverkusener Trainerbank nicht, abgesehen von kruden taktischen Entscheidungen wie Aránguiz’ kurzfristiger Einsatz als Innenverteidiger gegen Wolfsburg. Dafür vergeben Schiedsrichter*innen allerdings keine Karten, man könnte es aber mal diskutieren. [4/11]

12. Bayer 04 und Peter Bosz verständigen sich noch in diesem Jahr auf eine Vertragsverlängerung

Es war der 17. Januar, der Verein gönnt mir anscheinend nicht sonderlich viele richtige Treffer. [4/12]

13. Havertz verrät erst nach dem letzten Pflichtspiel zu welchem Verein er wechselt

Von dieser These war ich von Anfang an sehr überzeugt und nicht einmal eine um einige Wochen verlängerte Saison konnte daran etwas ändern. Nun hoffe ich auf eine schnelle Entscheidung, was wohl das Beste für alle Beteiligten sein dürfte. [5/13]


Zu Buche stehen also acht falsche Thesen. Vor der Saison habe ich mich – wie viele andere Leverkusener Twitterer auch – erneut an der Saisonspende beteiligt. Schon im letzten Jahr kam eine sehr ansehnliche Summe zusammen, die in dieser Saison sogar mit mehr als 6.000 Euro klar verdopppelt werden konnte. Von mir gibt es zehn Euro pro falscher These, das machen 40 Euro für die Neven Subotic Stiftung und 40 Euro für den Förderverein des Fanprojekts Leverkusen.

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