Als wäre die Transferperiode in diesem Sommer nicht ohnehin schon kompliziert genug, unterm Bayer-Kreuz existiert auf einer essentiellen Position eine große Ungewissheit. Medial dominiert der junge Kai Havertz, doch in dessen Schatten läuft Kevin Vollands Vertrag 2021 aus. Viele wünschen sich eine Verlängerung, ich wünsche mir vor allem eine Entscheidung.
Volland könnte eine Ära prägen
Es ist unbestritten, dass Kevin Volland ein guter Stürmer ist. Seine Vielseitigkeit ist seine Stärke, er kann über den Flügel, den Halbraum und als Zielspieler im Zentrum agieren. Er kann Schnittstellenpässe spielen wie annehmen und scheut sich auch vor Dribblings nicht. Kurzum könnte man auch von einem modernen Stürmer sprechen. Eine Verlängerung würde mit einer hohen Planungssicherheit einhergehen. Seine Fähigkeiten sind bekannt, seine Defizite auch, er ist vertraut mit Mannschaft und System, er ist eine sichere Bank in unsicheren Zeiten.
Wenn Volland in seiner Karriere noch einmal einen großen Schritt gehen möchte, einen Wechsel in die Premier League könnte ich mir gut vorstellen, dann müsste er dies jetzt tun. Für Bayer 04 bedeutet dies aber auch, dass wenn es gelänge, den Deutschen noch einmal langfristig an den Verein zu binden, man eine wirkliche Identifikationsfigur in ihm hätte. Nach dem Wechsel von Castro, den Karriereenden von Rolfes und Kießling, sowie dem erwartbaren Ausscheiden der Bender-Zwillinge in ein bis vielleicht drei Jahren, gibt es nicht mehr sonderlich viele solcher Figuren in Leverkusen und noch weniger, die es werden könnten.
In einem Abgang läge aber auch eine große Chance
Im Grundsatz spielt Leverkusen mit einem Neuner. Meistens heißt er Volland, zuletzt Havertz und gelegentlich auch Alario. Havertz und Alario könnten den Verein im Sommer verlassen, einer weil er zu erfolgreich ist, der andere, weil er nicht das Profil ausfüllt, was auf dieser Position erwartet wird. Aber was wäre, wenn gleich alle drei Stürmer Leverkusen verlassen würden?
Niemand mag aktuell abschätzen, welche Ablösesummen im Sommer aufgrund der Pandemie gezahlt werden, dennoch kann man mit Gewissheit sagen: Leverkusen hätte dann sehr viel Geld und keinen Stürmer.
Darin läge auch eine große Chance. Auf dieser Position einen nächsten Schritt zu gehen, ist erheblich schwieriger, wenn Volland langfristig gebunden ist, selbstverständlich mit dem Anspruch, jedes Spiel zu machen. Zumal man nicht davon ausgehen kann, dass Peter Bosz plötzlich ein großer Verfechter eines Doppelsturms wird. So gut wie Volland auch ist, nicht nur in dieser Saison waren seine Defizite immer wieder Diskussionsthema. Zu oft wurde dafür über die Chancenverwertung gesprochen. Dies war ein gesamtmannschaftliches Problem, tangierte aber im Besonderen den Aufgabenbereich von Volland. Nach „expected goals“ müsste er auf Platz sieben der Torschützenliste stehen, man findet ihn aber erst auf dem 15. Platz. Nur 42,4% seiner Schüsse kommen aufs Tor (Platz 45) und nicht einmal ein Drittel dieser Torschüsse führen zu einem Tor (Platz 108). Das spricht weder für seinen Abschluss noch für seine Entscheidungsfindung. Verbesserungspotenzial gäbe es auf dieser Position, ob der Markt und die Entscheidungsträger das auch hergeben, ist aber eine ganz andere Frage.
Ob das eine oder das andere geschieht, es würde mich jeweils für Verein und Spieler freuen. Es soll mir recht sein, solange er seinen Vertrag 2021 nicht auslaufen lässt.