#FreeAlario reicht nicht

Leverkusens Hauptproblem ist die Chancenverwertung. Nicht erst seit dieser Rückrunde, es war auch das konstante Thema der Hinserie, vielleicht mit Ausnahme des Beginns, wo generell zu wenig Chancen herausgespielt wurden, wodurch die ausbaufähige Verwertung gekonnt kaschiert wurde. Dieses Thema wird nun öffentlich sehr personifiziert, denn beinahe jeder fordert Alario für Volland. Dafür hat man alle Gründe, aber es ist sehr fraglich, ob das grundlegende Problem dadurch gelöst wird.

Bezogen auf die Torbeteiligungen (abzüglich von Strafstößen) agieren Alario und Volland auf einem ähnlichen Niveau: In 90 Minuten kommt Volland auf 0,71, Alario auf 0,74. Volland legt deutlich mehr Tore auf und gleicht damit seine schwächere Torquote aus, denn im Abschluss ist Alario leicht stärker. In der letzten Saison stand der Argentinier bei 7,5 npxG (Non-Penalty Expected Goals) und erzielte dabei neun Tore, in dieser Saison steht er bei 4,5 npxG und fünf Toren. Alario überperformt also leicht, Volland underperformt leicht bis deutlich. In der letzten Saison um 0,3 Tore, nun liegt er schon 2,5 Tore hinter der Metrik.

Vollands Einsatzzeiten lassen sich nicht dadurch erklären, dass er der bessere Strafraumstürmer ist, sie liegen wohl eher daran, dass er der komplettere Spieler ist. Volland läuft in 90 Minuten durchschnittlich 11,12 Kilometer, währenddessen Alario nur auf 10,69 Kilometer kommt. Trotz der Tatsache, dass er meistens nur eingewechselt wird, denn gewöhnlich legen Einwechselspieler im Durchschnitt mehr Meter zurück, da sie mit ihrer Kondition kürzer haushalten müssen. Dieser eine Wert zeigt ein wenig, dass es sich um unterschiedliche Spielertypen handelt. Volland spielt ein konstantes Angriffspressing, provoziert so auch regelmäßig gegnerische Ballverluste und kann aus der Tiefe kommend eben auch mehr Tore vorlegen. So gewinnt man nicht die Torjägerkanone, Fußball ist aber eben auch keine Einzelsportart. Alario ist eher ein klassischer Strafraumspieler, mit einem guten Gefühl für den Raum, einem stärkeren Kopfballspiel, was auch an seiner Größe liegt, und er hat meist nur wenig Ballkontakte vor einem Abschluss. Es gibt daher auch gute Argumente, Volland vorzuziehen. Er passt besser ins System und bei aller Kritik darf man auch nicht so tun, als würde er nie das Tor treffen.

Aber Peter Bosz gehen die Argumente aus, stets auf den Deutschen zu setzen. Nicht nur, dass er damit leichtfertig einen Spieler verprellt, was aus mehreren offensichtlichen Gründen nicht vorteilhaft ist, er schränkt sich auch taktisch ein. Denn es würde sich anbieten, je nach Gegner, Spielstand und Spielsituation zielgenau aufzustellen. Dabei wäre es ohne Probleme möglich, an Bosz‘ Prinzipien festzuhalten. Auch für Volland könnte es von Vorteil sein. In englischen Wochen droht keine Überspielung, ein gelebter Konkurrenzkampf könnte seine Leistung stärken und man würde damit verhindern, dass die komplette Kritik bei ihm landet. Das wäre unfair, in Angesicht seiner Verdienste beim Bayer und weil man damit seine Mitspieler automatisch zu sehr aus der Verantwortung nähme. Denn man darf sich nicht einbilden, dass das Effizienzproblem mit einem Wechsel von Volland zu Alario auch nur ansatzweise gelöst wäre.

Sortiert man 443 Bundesligaspieler nach der eben beschriebenen Effizienzkategorie (npG-npxG) muss man lange dem ersten Leverkusener suchen. Kai Havertz (+0,8) taucht als erstes auf, allerdings erst auf dem 61. Platz. Folglich gibt es 60 bessere Spieler in dieser Kategorie, verteilt auf alle anderen siebzehn Vereine. Die Leverkusener sind auf den letzten Plätzen zu finden: Jonathan Tah auf Platz 320, Mitchell Weiser auf Platz 323, Wendell auf Platz 324, Moussa Diaby auf Platz 327, Aleksandar Dragović auf Platz 365, Sven Bender auf Platz 388, Kerem Demirbay auf Platz 414, Nadiem Amiri auf Platz 429, Karim Bellarabi auf Platz 430 und Kevin Volland auf Platz 436. Leverkusens Chancenwucher ist nicht nur eine Stürmerfrage.

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